Mit Kollegin Gesche – Landwirtsgattin – bin ich befreundet und so treffen wir uns auch außerhalb der Arbeitszeit. Wie zum Bespiel letztes Jahr im September, als wir das Café Viktoria Luise in Rendsburg besuchten. Beim Spaziergang am
Nord-Ostsee-Kanal
und an der
Eider
kamen wir vom Hölzchen übers Stöckchen und ich bekundete, noch nie bewusst Ochsenfleisch gegessen zu haben. Gesche berichtete, sie hätten schon einmal Ochsen gemästet und eigentlich hätte sie Lust, das noch einmal zu tun, wenn da nicht das finanzielle Risiko und das Vermarktungsproblem wäre. Auf dem Hof wären gerade Bullenkälbchen geboren und die könne man ja zum Ochsen machen. Ungeachtet des Vermarktungsproblems wurde der Deal per Handschlag besiegelt und seit September 2015 ich bin zu 50 Prozent an dem Projekt Ochse mit
Earl Grey und Brownie
mit allen Risiken und Nebenwirkungen beteiligt. Earl Greys Vater ist ein Charolais, der von Brownie ein Shorthorn. Im April dieses Jahres mussten wir dann die Entscheidung treffen, ob wir das Projekt Ochse wirklich durchziehen wollen. Dem Problem “Vermarktung” konnten wir noch ausweichen, aber die Entscheidung zur Kastration musste fallen. So rückte der Tierarzt an und machte die Bullen zu Ochsen…
Bei der unblutigen Kastration wird das Tier betäubt und die Samenstränge werden mit einer Zange abgebunden, umgangssprachlich nennt man das auch “kneifen”. Beide Tiere haben die Prozedur gut überstanden, denn schon eine Woche später durften die beiden auf die Weide.
Nachdem ich dieses Bild bei Facebook postete, hatten wir auch schon die erste Kundin, wenn die Tiere schlachtreif sind. Aber erst einmal müssen die beiden “groß und stark” werden.
Wenn Gesche mit der Futterdose klappert, kommen die beiden angelaufen.
Für das Winterfutter wurde auch schon gesorgt, es gibt Heu und gequetschten Weizen.
Dank der 7-Tage-Woche eines Landwirtes dürfen Earl Grey und Brownie auch schon von dem Heu naschen, die Heuraufe wurde nämlich auf einem Sonntag aufgestellt.
Wie geht es nun weiter?
Zunächst einmal haben Earl Grey und Brownie für ein Mastrind noch ein relativ langes Leben vor sich und dürfen nach Herzenslust fressen und wiederkäuen. Nach der Kastration nehmen die Tiere weniger an Gewicht zu. Zeit für uns, die Vermarktung zu regeln. Natürlich wollen wir einen Teil selbst essen, aber 1,2 Tonnen Schlachtgewicht sind dann doch reichlich. Uns schwebt vor, Pakete wie bei Kauf ‘ne Kuh anzubieten. Dazu müssen wir aber erst einmal einen Schlachter als Partner gewinnen.
Es ist uns wichtig nicht nur “ein Stück Fleisch” anzubieten, sondern das Tier “from nose to tail” zu verwerten. Der Begriff “Nose to Tail” wurde übrigens von dem Briten Fergus Henderson geprägt, der in seinem renommierten Londoner Restaurant “St. John” seit der Eröffnung 1994 darauf setzt, das ganze Tier zu verwerten. Zu diesem Thema gibt es sein Nose to Tail * in deutscher Übersetzung.
Dazu werde ich auf diesem Blog weitere Rezepte veröffentlichen, wie weniger “beliebte” Teile zubereitet werden. Bislang ist es mir aber noch nicht gelungen, z.B. Kutteln oder Ochsenmaul käuflich zu erwerben. 4 Landschachter, bei denen ich anfragte, gaben mir die Auskunft, das lande im Tierfutter. Ich bleibe aber weiter am Ball.
An dieser Stelle geht ein besonderer Dank an den Landwirt, der das Projekt seiner Gattin und deren Kollegin so tatkräftig unterstützt, obwohl er eigentlich nichts damit zu tun haben möchte.
Rezepte für Bäckchen, Bein, Brust, Knochen und Schwanz gibt es hier schon auf Küchenlatein:
Ganz tolles Projekt und sehr unterstützenswert.
Zu den Kutteln muss ich aber Folgendes sagen – ich bin im Kuttelland Baden geboren und aufgewachsen: Selbst die hausschlachtenden Bauern in unserem Dorf haben ihre Kutteln bei einem der drei Dorfmetzger gekauft, und zwar Kalbskutteln. Alle anderen seien zu grob, nicht von gutem Geschmack und müssten Tage gekocht werden, um weich zu werden. Kalbskutteln standen auch bei uns zu hause sehr oft auf dem wöchentlichen Speiseplan.
Frag’ doch vielleicht auch einmal bei Hendrik Haase (Wurstsack) und seinen Jungs von Kumpel & Keule nach Details über langsam gewachsene Ochsen und deren Fleisch.
Kronfleisch, Nierenzapfen (Onglet) finde ich z.B. ganz wunderbar zum langen und langsamen Schmoren, weiß allerdings nicht, von welchem Tier am ehesten geeignet.
Zum Schlachten: Gibt es in der Gegend keinen Bio-Fleischer, der auch selbst züchtet und also auch selbst schlachtet?
Liebe Grüße aus Berlin.
Natürlich gibt es hier Schlachter, die bio-zertifiziert sind und auch züchten. Aber: Nur 1 % der in Schleswig-Holstein geschlachteten Rinder sind Ochsen, wobei nicht klar ist, ob die in Schleswig-Holstein aufgewachsen sind. Und keiner von den von mir befragten Landschlachtern wollte Kalbskutteln machen, das geht hier tatsächlich ins Hundefutter, genauso wie du hier Herz, Leber und Nieren vorbestellen musst. Ein Projekt wie vom Wurstsack klappt sicher in Großstädten, wo es genügend Generation Y gibt. Hier in Schleswig-Holstein gibt es offensichtlich zu wenig davon.
Hi,
sehr umgänglich und unendlich hilfsbereit ist das Team von Steffen. Nicht Bio, aber ein komplett geschlossener Kreis. Und sowie es früher war.
Ansonsten frag mal bei Muhs, sind auf dem Markt, beliefern aber auch. Verschiedene Bioläden.
Viel Glück!
Liebe Grüße vom Blücher
Vielen Dank für den Tipp, Ochsenmaul so wie in dieser Abbildung liegt jetzt bei mir im Tiefkühler und wartet darauf von mir gepökelt, dann gekocht und zu Salat verarbeitet zu werden. Ich werde darüber hier im Blog berichten.
Natürlich wünsche ich den beiden ein gutes, langes Leben und stets ein Kleeblatt im Maul!
Ich freue mich aber auch auf den Teil danach.
Viele Grüße aus dem sonnigen Süden,
Simone
Wir freuen uns auch auf den Teil danach, denn wir haben beide zum (Fr)essen gern ;-)
Was für ein tolles Projekt ! Ich glaube es gibt wenig Frauen, die sich ihre eigenen Ochsen halten.
in Österreich funktioniert diese Vermarktung aus den Erfahrungen meiner Verwandtschaft und von Freunden ganz gut. Meine Schwester und mein Schwager haben schon die Vorbestellung für den nächsten Ochsen. Es geschieht vor allem durch Mundpropaganda.
Viel Glück für euer Projekt
Danke
Vielen Dank für die Antwort über Facebook – es macht gar nichts, dass es ein wenig gedauert hat, das “Ziel” liegt ja auch noch in der Ferne. In einem Kommentar oben lese ich “Kronfleisch”, dass jemand hier im Norden dieses Wort überhaupt kennt …! Wir lieben das und mussten es einem Bio(!)-Schlachter entrüstet entreißen, der es schnöde im Hackfleisch vergraben wollte.
Wann immer es soweit ist: Wir hätten sehr gerne etwas ab. Und zwar sehr gerne auch die Teile, die gemeinhin als “nicht-edel” bezeichnet werden. Absatzschwierigkeiten? Kann ich mir kaum vorstellen. Bei unserer leider versiegten privaten Bezugsquelle gab’s ellenlange Wartelisten.
Absatzschwierigkeiten ist wohl der falsche Ausdruck … Es liegt eher an der Organisation: Wie kommt das geschlachtete Tier handlich verpackt zum Kunden, es müssen ja alle auf ihre Kosten kommen.
Edit: Und natürlich freuen wir uns über eine weitere Kundin
Gerade war ich mal im Impressum: So ein Zufall, mein Mann hat jahrelang in Kronshagen gewohnt, im Hofbrook. Das ist nur eben so ein Stündchen von uns mit dem Auto. Soweit zum Problem “wie kommt das Fleisch zum Kunden”.
;-) Und ich arbeite sogar auf der halben Strecke in Neumünster, das ist noch nachhaltiger!
Das wird ja immer besser :D